Die vergleichende Erforschung wissenschaftlicher Streitkulturen eröffnet einen Einblick in die einzelsprachlich verfasste Diskursivität wissenschaftlicher Texte. Sie ist Grundlage für ein tiefer gehendes gegenseitiges Verstehen unterschiedlicher und gemeinsamer Formen der Wissensfindung und der Wissensdarlegung im inter­nationalen Kontext. Das für diesen Band zentrale Konzept der »eristischen Strukturen« erlaubt eine linguistisch-komparatistische Untersuchung sprachlicher Ausprägungen von kooperativ-kompetitiver Erkenntnisgewinnung, wie sie beim sprachlichen Handeln in der alltäglichen italienischen und deutschen Wissenschaftspraxis vollzogen wird. Der empirische Teil der Arbeit analysiert die zahlreichen Belege offen und verdeckt ­ausgetragener Eristik, die in einem Korpus von 50 italienischsprachigen und deutschsprachigen wissen­schaftlichen Artikeln aus Natur-, Sozial- und Geisteswissen­schaften enthalten sind. Durch die angewendete interpretativ-rekonstruktive Sprachanalyse ergeben sich verschiedene intra- und inter­disziplinäre Vergleichs­mög­lichkeiten: Wie werden Bestimmungs- und Differenzierungsversuche des jeweiligen Gegenstands ausgestaltet? Welche Realisierungsformen von Annäherungs- und Distanzierungsstrategien hinsichtlich der »academic community« finden sich? Wie werden Begründungserfordernisse verbalisiert? Wie wird die kritische Gegenstandsprüfung sprachlich vorgenommen?
Ana da Silva ist Dozentin für Deutsch als Zweit-/Fremdsprache und Interkulturelle Kommunikation an der Philologisch-Historischen Fakultät der Universität Augsburg.